Die Geschichte des Karate

Über die Geschichte, die Entstehung und Herkunft des Karate könnte man wohl einige Semester referieren. Für einen ersten Überblick wollen wir hier einen kurzen Einblick in die Geschichte des Karate geben:

OKINAWA

Bereits im 14. Jahrhundert übten sich die Adeligen aus Okinawa – eine der Ryukyu-Inseln südlich von Japan, die über Jahrhunderte hinweg im Spannungsfeld der Großmächte Japan und China lag – in einer Selbstverteidigungsmethode, die von den Japanern TE (= Hand) und von den Okinawanern TI (= Technik) genannt wurde.

Politische und Handels-Beziehungen mit China ergaben den Kontakt mit der chinesischen Kampfkunst Quan Fa, die sich im Laufe der Zeit mit der einheimischen vermischte. Die neue Methode hieß To-De (Satunushi Shungo „Tode“ Sakugawa) oder To-Te bzw. Tui-Di (“China-Hand”). Später verwendete man die Bezeichnung Okinawa-Te (“Okinawa-Hand”), um der Kunst einen einheimischen Charakter zu verleihen.

In diesem Zusammenhang darf auch das Bubishi, das gerne als Bibel des Karate angesehen wird, hier nicht unerwähnt bleiben.

Familien-Stile: Es gab eine Vielfalt von Methoden, die ursprünglich nur innerhalb einer Familie geübt und weitergegeben wurden, zum Beispiel die Ryuei Ryu der Nakaima-Familie

Den Anstoß zur Entwicklung dieser Kampfmethoden ergab ein Waffenverbot, durch welches sich die Okinawaner entmündigt fühlten. Das einfache Volk setzte zudem Arbeitsgeräte zur Selbstverteidigung ein, woraus sich möglicherweise das Kobudo – unter anderem mit den Waffen Bo, Sai, Tonfa und Nunchaku – entwickelte. Es wurden ähnliche Waffen jedoch auch in anderen Ländern und anderen Kulturen gefunden.
Die Meister fassten jedoch ihre Kampfkunst unterschiedlich auf, wodurch sich – unter Bezug auf das gemeinsame System – eine Vielfalt an Schulen (“Ryu” = Stil) entwickelten.

Die Hauptstile wurden jener Stadt zugeordnet, in denen die Meister lebten. So entstanden die Stile

  • Shuri-Te (Sokon Matsumura -> Anko Itosu -> Anko Asato -> Gichin Funakoshi)
  • Tomari-Te (Kosaku Matsumora)
  • Naha-Te (Kanryo Higashionna)

Shuri-Te und Tomari-Te (sie standen einander hinsichtlich der Grundauffassung nahe) wurden später als Shorin-Ryu bezeichnet. Shorin ist die okinawanische Bezeichnungen für Shaolin.
Naha-Te erhielt später die Bezeichnung Shorei-Ryu.

Aus diesen beiden Schulen entwickelten sich in Okinawa im Laufe der Jahre zahlreiche weitere Karate-Stile, die nicht bloß als Sport, sondern als Lebensschule aufgefasst wurden.

JAPAN

In Japan waren diese Kampfkünste bis 1915 praktisch unbekannt. Ihre Integration als Karate-Do (“Weg der leeren Hand”) ins japanische Budo (Sammelbegriff für Kampfkünste) brachte der okinawanische Meister Gichin Funakoshi (Shotokan-Ryu) zustande, der 1921 auf Einladung des japanischen Kultusministeriums zusammen mit den Meistern Chojun Miyagi (Goju-Ryu) und Kenwa Mabuni (Shito-Ryu) nach Japan kam.

Aus diplomatischen Gründen – zwischen Japan und China herrschte ein angespanntes Verhältnis – ersetzte Funakoshi das ursprüngliche Kanji (japanisches Schriftzeichen) für Kara (Bedeutung: Chinesisch) durch ein Neues mit der Bedeutung “Leer”. Mit der Ergänzung durch ein drittes Zeichen (Do, der Weg) kam ein philosophischer Zug in die frühere okinawanische Kampfkunst, bei der ursprünglich auch Hebel, Griffe und Würfe praktiziert wurden.

Diese hat Funakoshi jedoch auf Anraten von Jigoro Kano (er entwickelte das Judo aus verschiedenen Ju-Jutso-Stilen) weggelassen, um eine größere Unterscheidung zwischen Judo und Karate sichtbar zu machen und für die Aufnahme in den Budokokai (“Kai” = Verband, Budokokai = Verband der  Kampfkünste) anerkannt zu werden.

Als Karate-Hauptstile wurden für den Budokokai folgende Stilrichtungen festgelegt:

  • Goju-Ryu
  • Shito-Ryu
  • Shotokan-Ryu
  • Wado-Ryu

 

In Okinawa wurde grundsätzlich immer zeitgleich mit Karate auch Kobudo gelehrt und geübt. Mit dem Transfer des Karate nach Japan und in die westliche Welt fand jedoch eine Trennung statt, und Karate und Kobudo wird häufig getrennt voneinander unterrichtet.

Ebenso ist eine recht strikte Abgrenzung der Stilrichtungen untereinander gegeben, obwohl die meisten Stile gemeinsame Grundlagen haben und/oder voneinander profitieren bzw. profitierten.

Bis ins frühe 20. Jahrhundert war es unter den Meistern verschiedener Stile üblich, sich einander zu treffen, sich auszutauschen und voneinander zu lernen.

Das Foto zeigt in diesem Zusammenhang das sogenannte Tokio-Meeting mit Kanken Toyama (Shudokan), Hironori Ohtsuka (Wado Ryu), Takeshi Shimoda (Shotokan Ryu), Gichin Funakoshi (Shotokan Ryu), Choki Motobu (Shorin Ryu), Kenwa Mabuni (Shito Ryu), Genwa Nakasone, Shinken Taira (Kobudo).

Karate Stilgründer Tokyo-Meeting

DER “WESTEN”

Die japanischen Interpretationen des Sport-Karate führten zu einer tiefen Kluft zwischen den Meistern Okinawas, und all jenen, die an der Entwicklung dieses Sportkonzepts beteiligt waren.
Dieses Sportkarate war aber letztlich auch ein Auslöser für die weltweite Verbreitung des Karate. In vielen Ländern außerhalb Asiens kannte man Karate lange Zeit nur als Wettkampfsystem, doch nach und nach beginnt auch der Westen die vielen weiteren Aspekte des Karate-Do – wie Selbstbehauptung, Selbstbetrachtung, Persönlichkeitsentfaltung, Gesundheitsweg usw. – zu realisieren und wertzuschätzen.